Fütterung von Rehwild?

Energiedefizite und Notlage könnten bei Rehwild höchstens im März und April auftreten. Aufgrund des Klimawandels ist dies aber sehr unwahrscheinlich. Und vorgeschlagene Futtermischungen bei Rehwild haben oft viel zu hohe Energiedichten und viel zu geringe Faseranteile, die dann negativ auf die Gesundheit des Rehwildes wirken und zu einem erhöhten „Faserausgleichsverbiss“ an der Waldvegetation führen können.

Das sind kurz zusammengefasst Aussagen von Prof. Dr. Andreas König, vom Lehrstuhl für Tierernährung an der TU München im Rahmen einer Online Veranstaltung der Initiative „hunting4future“ Anfang Februar. Um durch den Winter zu kommen haben unsere Wildwiederkäuer Strategien entwickelt, wie ein extrem gut isolierendes Fell oder die Reduktion des Stoffwechsels auf ein Minimum. Die Abbildung „Energiebedarf/-versorgung des Rehwildes“ nach Hoffmann 1981 zeigt den Zusammenhang zwischen Nahrungsaufnahme, Fettreserven und Energiebedarf bei Rehen im Jahresverlauf. Notzeit gibt es bei Wildtieren, wenn alle Reserven aufgebraucht sind, der Stoffwechsel wieder steigt und die Nahrung zu wenig Energie liefert. Das kann bei Rehen maximal im März und April sein. Hohe Schneelagen im Jänner oder Februar spielen keine Rolle. Durch den Klimawandel, bei dem heute die Vegetation mehr als 15 Tage früher dran ist, tritt eine solche Situation bei uns faktisch nicht mehr ein.
Die Notzeit-Mast
Prof König kritisiert außerdem die oft verwendeten Futtermittelzusammensetzungen, dies sicher keine Erhaltungsfütterung darstellen. Die Futtermischungen weisen Energiedichten von 10 bis 12 Megajoule umsetzbare Energie pro Kilogramm Trockenmasse auf, während natürliche Äsung nur eine Energiedichte zwischen 4 und 6,3 Megajoule pro Kilogramm Trockenmasse beinhaltet. Getreide also Hafer, Gerste oder Mais bewirken zu hohe Energiedichten, die das Reh regelrecht dazu zwingt, verstärkt Fasern in Form von Waldverbiss aufzunehmen, um den pH Wert im Pansen anzuheben. Zu geringen Faseranteile im Futter führen zu niedrigen pH Werten im Pansen, wodurch eine Pansenazidose (Übersäuerung/Stoffwechselstörung im Magen) ausgelöst wird, an der viele Rehe auch sterben. An 30 Prozent des Fallwildes in Österreich ist die Pansenazidose die Ursache für den Ausfall (Untersuchung Arnold W. 2020)!
Einladung zur natürlichen Überwinterung
Die wissenschaftlichen Fakten zeigen sehr klar, dass es für die Fütterung des Rehwildes keine Notwendigkeit gibt. Die Jäger sind eingeladen sich objektiv und umfassend zu informieren. Waldaufseher Klemens Nenning referierte bei der online Veranstaltung über seine Erfahrungen bei Fütterungsauflösungen in seinem Gebiet. Bei dem emotionalen Thema haben sich Waldbegehungen in Beispielgebieten sehr bewährt. Der Aufwand wird für den Jäger sowohl zeitlich als auch finanziell stark reduziert. Das Wild verteilt sich anders und andere neue jagdliche Interessen werden angesprochen. Die Abschussplanungen bringen wesentlich weniger Konflikte und Jagden ohne Fütterungen haben meisten auch geringere Jagdpachtkosten. Außerdem werden Jagden mit natürlicher Überwinterung als fortschrittliche Jagden angesehen.

Ein medialer Wirbel mit einem „vermenschlichten“ Tierschutz kann bei der Umstellung sehr kontraproduktiv wirken. Wissenschaftliche wildbiologische fakten sind aber eindeutig und außerdem würde sich die Frage stellen, wieso dann im Wald nur zwei Schalenwildarten gefüttert werden und alle anderen nicht, merkt Waldaufseher Nenning dazu an. Nach der Umstellung sind im Gebiet Hittisau heute flächige sehr gute Waldverjüngungsverhältnisse für alle Baumarten vorzufinden und auch die Jäger sind durchwegs sehr zufrieden mit der naturnahen Wildbewirtschaftung. Die Einladung zum Besuch in Hittisau hat Klemens Nenning auf jeden Fall an alle Jäger ausgesprochen.

Abbildung Energiebedarf/-versorgung der Rehe (siehe oben): Schematische Darstellung der Zusammenhänge zwischen Energieaufnahme, Futterreserven und Energiebedarf bei Rehen im Jahresverlauf (nach Hoffmann 1981).

Einladung zur Umstellung: Zufriedene Jäger, gesundes Wild und gute Waldverhältnisse in Hittisau.