In der derzeitigen Diskussion werden wildökologische Grundlagen und Erkenntnisse völlig außer Acht gelassen. Es wird teilweise auch von fachlichen Stellen mit oberflächlichen menschlichen Sichtweisen, die eher für Haus- oder Nutztiere gelten, argumentiert. Deshalb möchten wir hier aus dem aktuellen Notfütterungskonzept des Kantons St.Gallen Grundlagen wiedergeben, die bei der Wiltierbewirtschaftung essentiell wichtig sind:
Verschiedene Überlebensstrategien
Im Gegensatz zu Haustieren brauchen Wildtiere kein Futter vom Menschen. Sie haben verschiedene Überlebensstrategien entwickelt und sind für den Nahrungsengpass und tiefe Temperaturen im Winter gut vorbereitet. Die Fortbewegung und Raumnutzung im Winter werden massiv reduziert, ebenso der Stoffwechsel, die Körpertemperatur, der Puls und die Verdauung. Damit reduziert sich der Energie- und Nahrungsbedarf um ein Vielfaches, sofern übermäßige Störungen ausbleiben und die Tiere ihren Energiesparmodus umsetzen können.
Auslese bei Wildtieren fördert den Gesundheitszustand eines Wildbestandes
Trotz diesen Energiesparmaßnahmen fordert der Winter je nach Härte und Kondition der Wildtiere alljährlich Opfer. Je schwächer die Kondition der Tiere ist, umso höher wird die Fallwildrate in strengen Wintern ausfallen. Die Kondition der Tiere ist vom Lebensraum, den Energiereserven (Nahrungsangebot im Sommer), der Wilddichte (sozialer Stress, Nahrungskonkurrenz) und der Immunstärke (Parasitenbefall usw.) abhängig. Geschwächte Gämsen und Steinböcken gehen oft ein, ohne dass dies von Menschen wahrgenommen wird. Doch diese natürliche Auslese bei Wildtieren mit eingeschränkter Kondition fördert zugleich den Gesundheitszustand eines Wildbestandes und bietet anderen Wildtieren wiederum eine Nahrungsgrundlage.
Stress und die Seuchengefahr geringer
Langjährige Erfahrungen im In- und Ausland zeigen, dass es dem Wild und dem Wald ohne Fütterungen besser geht. Das Wild verteilt sich besser in den geeignetsten Wintereinstandsgebieten, hohe Konzentrationen auf kleinstem Raum bleiben aus, was automatisch auch weniger Wildschäden (Schälungen) produziert. Auch der soziale Stress und die Seuchengefahr für Mensch und Tier sind bei ausbleibenden Konzentrationen ohne Fütterungen viel geringer. Fütterungen können sogar schädlich sein: Sie setzen den natürlichen Energiesparmodus außer Betrieb, erhöhen den Energiebedarf und führen bei falscher Fütterung auch zu Verdauungsproblemen (Pansen-Azidiose) und können damit zur tödlichen Falle werden. Künstliche Wildkonzentrationen ziehen auch Großraubtiere an, und locken diese damit in Siedlungsnähe, weil Fütterungen bei hoher Schneelage wegen der Erreichbarkeit siedlungsnah sind, was zu vermehrten Störungen und Stress der Wildtiere führt. Mit und ohne Fütterungen führt ein langer, kalter und schneereicher Winter zu Fallwild.
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