TBC-Fälle – Systemumstellung ohne „Hirschzucht“

Die jetzt in den Auswirkungen besonders drastischen TBC- Fälle veranlassen den Vorarlberger Waldverein, die Forderung nach einer Systemänderung weg von einer „Hirschzucht“ und Trophäenausrichtung hin zu einer ökologischen Rotwildbewirtschaftung mit dem Lebensraum angepassten Wildbeständen zu erneuern.

Obmann Klaus Schwarz: „Wir meinen nicht, dass die Jäger ihre Arbeit nicht machen, am System ist etwas falsch. Es braucht möglichst im Dialog eine Änderung mit einer konsequenten Regulierung der Wildbestände orientiert am Potential der Lebensräume. Wir sind natürlich nicht für eine Ausrottung des Rotwildes, aber es braucht mindestens eine Halbierung der Bestände auf den Stand von 1988.“

Link zum ORF Beitrag

Der Vorarlberger Waldverein weist schon seit Jahren auf die völlig unnatürlich überhöhten Wildbestände hin, die in einigen Gebieten in Vorarlberg zu extremen Schäden an der Waldverjüngung geführt haben. Die Wildbestände und besonders jene des Rotwildes wurden in den letzten Jahrzehnten aus jagdlichen Interessen regelrecht aufgezüchtet. Zum Teil sind die Vermehrungsraten dann auch ungewollt außer Kontrolle geraten. Seit der Rotwildkonzeption von Prof. Fritz Reimoser im Jahre 1988, in der eine Ausrichtung mit dem Lebensraum angepassten Wildbeständen festgeschrieben ist, haben sich nicht nur die Abschüsse und sondern vor allem auch die Wildbestände zumindest verdoppelt (sonst könnten nicht laufend so viele geschossen werden). Die Lebensräume haben sich dabei seit diesem Zeitpunkt sicher nicht vergrößert, sondern durch verschiedene Einflüsse, wie die Ausdehnung des menschlichen Lebensraumes, die Tourismus- und Freizeitnutzung eher verkleinert.

Ab dem Jahr 1988/89 wurde mit einem neuen Jagdgesetz eine Vorlagepflicht zur Kontrolle eingeführt. Seit damals haben sich die Abschüsse mehr als verdoppelt: Abschuss 89/90: 1.510 Stück, Abschuss 23/24 3.131 Stück, Quelle Abschussplanstatistik Land Vorarlberg.

Fatale Folgen für unsere wichtigen Waldwirkungen
Der Wald steht in der Klimaänderung bereits durch verschiedene andere Faktoren im Stress (Trockenphasen, Extremereignisse, Windwürfe, verschiedene Pilzkrankheiten und Borkenkäferkalamitäten). Mit den Wildschäden kommt eine Zusatzbelastung dazu, die das Aufkommen der Waldverjüngung verhindert. Gerade die im Klimawandel wichtigen Mischbaumarten werden herausgeäst. Die Waldentwicklung wird massiv gestört und die für uns alle wichtigen Schutzwaldwirkungen können nicht mehr in vollem Maße wirken. Wir betonen, das betrifft die ganze Palette an Schutzwaldwirkungen seien es Rutschungen, Muren, Lawinen oder Hochwasser mit einem enorm großen Schadenspotential bis zu Personenschäden. In Österreich gab es im letzten Jahr große Schäden mit vielen Betroffenen Es kann jeden von uns schneller betreffen als uns lieb ist.

Der Vorarlberger Waldverein fordert daher auch im Sinne der jetzt aktuellen Tiergesundheit und der betroffenen Landwirte eine komplette Umstellung der Rotwildbewirtschaftung weg von einer „Hirschzucht“ und Trophäenausrichtung hin zu einer ökologischen Rotwildbewirtschaftung mit dem Lebensraum angepassten Wildbeständen durchzuführen.
Aktuell sind wir der Meinung, dass die geltenden Zweijahres-Abschusspläne in mehreren Regionen erhöht werden müssen (im heurigen Jahr werden keine Pläne erstellt, nach § 38, Abs 8 Vorarlberger Jagdgesetz, Erlassung von Abschussplänen können Änderung vorgenommen werden, wenn sich maßgeblichen Verhältnisse ändern). Es besteht die dringende Notwendigkeit der Erhöhung der Abschusspläne aus Tiergesundheitsgründen, aber auch aus Sicht von drohenden Wildschäden am Wald. Dabei müssen auf jeden Fall, Nichterfüllungen aus dem letzten Jagdjahr dazu geschlagen werden.

Es braucht auch einige Anpassungen und Neuregelungen im Jagdgesetz (keine vollzählige Aufzählung)
– Rotwildfütterungen nur noch ohne Kraftfutter und nur noch mit Bewilligung mit Stückzahlen unter maximal 80 Stück.
– Keine verpflichtende Ausstellung der Hirschgeweihe mehr (Hegeschauen), die nach wie vor eine Trophäenausrichtung der Jagdbewirtschaftung fördert.
– Neuregelung der Abschusskontrolle mit zeitgemäßen Methoden bzw. digitalen Tools, die dann auch zur Beurteilung der Wildpopulationen herangezogen werden können.
– Ermöglichung von Hilfsmitteln, mit denen bei Notwendigkeit eine rasche und effiziente Reduktion erreicht werden kann

Systemumstellung – Beispiel Hittisau II
Wie es gehen kann, zeigt der neu eingeschlagene Weg bei der Jagdgenossenschaft Hittisau II. Hier wurde eine sehr konsequente Umstellung vorgenommen und es wird vollkommen auf eine Winterfütterung verzichtet. Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Rotwild den Stoffwechsel im Winter massiv herunterfahren kann. Die Wildschadensituation hat sich inzwischen sehr verbessert. Der Wildbestand ist deutlich geringer und damit ist die Tiergesundheit beim Rotwild insbesondere in Bezug auf TBC in Hittisau weniger ein Thema.

Auf Seite 15 der „Kleinen Vorarlberger Waldzeitung“ Ausgabe 2/2024 wird die Rotwildbewirtschaftung bei der Jagdgenossenschaft Hittisauu II „Rotwild ohne Fütterung“ beschrieben: Hier ist der Link zur Onlineversion: Link

Redaktion, 21.01.2025

Obmann Klaus Schwarz. Im Hintergrund die Überwinterungsgebiete von Rotwild ohne Fütterung in Hittisau (Foto Waldverein Vbg)

Im Bild alte Schälschäden aus Zeiten mit hohen Bestandesdichten und mit Fütterung (Foto Waldverein Vbg).

Mit der Umstellung hat auch die Weißtanne für eine klimafitte stabile Waldentwicklung wieder eine Chance (im Bild eine ein etwa 7-jährige unverbissene Tanne, Foto Waldverein Vbg).