
Anlässlich 70 Jahre Gedenken an Lawinenkatastrophe Großes Walsertal macht der Vorarlberger Waldverein auf die jetzt im Klimawandel steigenden Bedeutung des Schutzwaldes aufmerksam. Obmann Mag Walter Amann weist auf die prognostizierte Zunahme von Klimaextreme, wie Trockenstress oder Hochwasserextremereignisse mit unkontrollierbaren Borkenkäferkalamitäten, wie derzeit im Osttirol oder Kärnten hin.
„Unsere Siedlungen und Infrastruktur können schneller betroffen sein als uns lieb ist.“
Was müssen wir machen, was sind die richtigen Strategien?
Eine große Herausforderung
- Wir brauchen Struktur im einzelnen Waldbestand und auf der Fläche. Wir brauchen einen mehrschichtigen Waldaufbau mit einer funktionierenden Naturverjüngung der Bäume
- Wir brauchen artenreiche Mischwälder bis in höhere Lagen hinauf
Aktive Waldbewirtschaftung und Lebensraumanpassung der Wildbestände
Eine aktive Waldbewirtschaftung ist die Basis. Mit kleinflächigen Holzeinschlägen auf der Fläche bekommen wir eine Struktur und Vielfalt sowohl in der Schichtung als auch bei den Baumarten. Je nach Lichtbedürfnis und Standort können sich die verschiedenen Baumarten ansamen und verjüngen. Auch die Biodiversität profitiert davon.
Für eine aktive Waldbewirtschaftung brauchen wir Holzpreise, die den Waldbesitzer zu einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung motivieren. Ein Rückschlag ist die derzeitige Rundholzpreissituation, bei der nicht einmal die Teuerungen umgesetzt werden können. Die Holzaufarbeitung wird immer teurer, damit wird die Kostenschere im enger. Die Forstförderung wirkt zum Glück entgegen.
„Armes“ Wild
Ein Hauptproblem in der Waldverjüngung ist, dass durch einen Überbestand von Reh-, Gams- und Rotwild ein Aufkommen der wichtigen Mischbaumarten, wie beispielweise der bodenaufschließenden und strukturbringenden Weißtanne verhindert wird. Wir brauchen eine Reduzierung und Anpassung der Wildbestände an den vorhandenen Lebensraum. In der Bevölkerung könnte der Eindruck entstehen, die „armen“ Wildtiere werden geschossen und haben keine Lebensberechtigung. Das stimmt natürlich nicht, Wild gehört zum Wald, nur einer Überbestoßung muss konsequent entgegengewirkt werden. Viele Jäger sind bei dieser Ausrichtung dabei. Diese Jagdbewirtschaftungskonzepte kommen schlussendlich auch der Tiergesundheit und dem Tierwohl in freier Wildbahn zu Gute.
Statement Prof. Dr. Dr. Axel Göttlein, Professur Waldernährung und Wasserhaushalt an der Technischen Universität München, Weihenstephan
Eine wesentliche Aufgabe zur Schaffung zukunftsfähiger Wälder ist eine schnelle klimaangepasste Verjüngung der Waldbestände, durch Pflanzung, Saat oder am besten durch Naturverjüngung. Wenn diese neue Generation von Pflanzen vom Wild jedoch so stark verbissen wird, dass sie nicht groß werden kann hat der Wald (und damit schlussendlich auch das Wild) keine Zukunft. Das Wildtiermanagement muss es hinbekommen, dass die Waldverjüngung im notwendigen Maß aufwachsen und groß werden kann. Ein diesbezügliches Versagen wäre eine schwere und eigentlich unverzeihliche, da vermeidbare Hypothek für zukünftige Generationen.
Vierklang
„Wir müssen mehr Bergwischwälder etablieren, die hier entgegenwirken können. Der Bergmischwald ist ein „Vierklang“ aus Fichte, Buche, Tanne und Bergahorn. Vier Baumarten sind betriebssicherer als eine. Bekommt eine Baumart Probleme, etwa durch den Borkenkäfer, hat man zumindest die Hoffnung, dass die anderen drei Baumarten die Waldfunktion aufrechterhalten können.“
Factbox – Zusammenfassung
- 89 Prozent Wald mit Schutzwaldfunktion in Vorarlberg (Objekt- und Standortschutzwaldfunktion)
- direkte Objektschutzfunktion z.B. bei Lawinen, Steinschlag, Hangrutsche oder Muren
- indirekte mit dem Wasserrückehaltevermögen bei Hochwasserereignissen auf der gesamten Waldfläche (für Hochwasserereignisse ist eine bedrohliche Zunahme prognostiziert!)
- Aktive Waldbewirtschaftung bringt Struktur und Stabilität mit hoher Regenerationsfähigkeit (Resilienz)
- Hauptproblem: Wegfressen der Waldverjüngung insbesondere der Mischbaumarten durch aus jagdlichen Interessen überhöhten Schalenwildbeständen (Reh, Rot- und Gamswild); wichtige natürliche Vorverjüngungen oder das Ankommen von Mischbaumarten in höheren Lagen wird verunmöglicht.
- Waldbewirtschaftung bringt grundsätzlich Biodiversität: Die naturnahe kleinflächige Waldbewirtschaftung in Vorarlberg mit vergleichsweise viel Totholz kann positiv hervorgehoben werden.
- Klimaschutz: Der Wald ist vom Klimawandel stark betroffen, gleichzeitig können wichtige Klimaschutzmaßnahmen generiert werden: CO2 Speicher im Wald, zusätzlicher CO2 Speicher in Holzprodukten wie in einem zweiten Wald, CO2 Kompensation durch Ersatz von fossilbasierten und damit klimaschädlichen Baustoffen und Energieträger, „Gamechanger“ mit der Holzpyrolyse: Anerkannte Negative Emissionstechnologie (NET‘s, Abscheidung von CO2 Gasen direkt aus der Atmosphäre in Holzkohle über tausende von Jahren, bereits mehrere Heizwerke in Vorarlberg in Betrieb)

Bild: Blons aufkommender Schutzwald: Bedeutung nimmt mit dem Klimawandel drastisch zu! (Fotoquelle Vorarlberger Waldverein).

Bild: Die Bedeutung des Schutzwaldes nimmt zum 70 jährigen Gendenken der Lawinenkatastrophe im Großen Walsertal wieder extrem zu (im Bild Gretl Zanoni (geb. Erhart) im Alter von 21 Jahren bei der Rettung eines Kindes, Quelle Foto Lawinendokumentationszentrum Blons).
Die Vorträge der Referenten stehen hier zur Verfügung und sind nur für private Zwecke freigegeben: