Lebensraum Forststraße

Forststraßen werden in Bezug auf Naturschutz sehr oft nur negativ gesehen. Dass das nicht so ist, belegt jetzt ein Projekt bei den Österreichischen Bundesforsten. Eine Reihe von Rote-Liste Arten und gefährdeten Biotoptypen konnte entlang von Forststraßen festgestellt werden.

Voraussetzung für die Mischwaldbewirtschaftung

Die Erschließung des Waldes durch Forststraßen zählt zu den Grundvoraussetzungen einer zeitgemäßen nachhaltigen und auch naturnahen Waldbewirtschaftung. Forststraßen ermöglichen die Durchführung kleinflächiger Waldnutzungsformen und damit die Entwicklung struktur- und artenreicher Mischwälder. Ohne Forststraßenerschließung wäre die Pflege und Bewirtschaftung unserer Schutzwälder faktisch nicht möglich.
Von Naturschutzseite werden Forststraßen oft generell negativ gesehen. Mit dem jetzt erstmals untersuchten Lebensraum samt den Böschungen und den vorhandenen Biodiversitäten an den Forststraßen ergibt sich eine neue Sichtweise. Das Projekt wurde von den Österreichischen Bundesforsten mit Unterstützung aus der Ländlichen Entwicklung der Europäischen Union in den Jahren durchgeführt.
„Zu unserer Überraschung entdeckten wir entlang der Waldstraßen ein perfekt eingespieltes Ökosystem“, so ÖBf-Vorstand Rudolf Freidhager. 172 verschiedene Tierarten, von denen 48 auf der Roten Liste stehen, sowie 70 teils regional gefährdete bzw. geschützte Pflanzenarten wurden dabei dokumentiert.

Mehr Licht als im Wald

Viele gefährdete Insektenarten würden an den Böschungen mehr Licht und Wärme als in den angrenzenden Wäldern finden. Das begünstige vor allem licht- und wärmeliebende Schmetterlinge und Heuschrecken. So wurden die zehn häufigsten heimischen Schmetterlingsarten wie der C-Falter viermal so oft wie im angrenzenden Wald gesichtet. Auch gefährdete Exemplare wie der Feurige Perlmuttfalter wurden deutlich öfter nachgewiesen. Einige gefährdete Heuschreckenarten wie die Blauflügelige Ödlandschrecke, die Italienische Schönschrecke und mehrere Arten von Dornschrecken wurden ausschließlich entlang der Forststraßen und nicht im umgebenden Wald angetroffen.
Gefährdete Amphibien wie Grasfrosch oder Bergmolch profitieren der Studie zufolge von den kleinen Lacken in den Straßengräben und legen dort ihre Eier ab. Von den schützenswerten Pflanzen wachsen zum Beispiel Arnika, verschiedene Bärlapp-Arten, Schwalbenwurz-Enziane oder auch Schneerosen entlang der Wege.
Die Studie zeigt aber auch auf, dass Arten durch Forststraßen negativ beeinflusst werden können. Die Wege können etwa für Kleinorganismen des Waldbodens wie Schnecken oder Weberknechte ein unüberwindliches Hindernis darstellen. Als Beispiel wird etwa der in Österreich stark gefährdete Schneckenkanker, der zur Gruppe der wenig mobilen Bodenstreubewohner zählt, durch Forststraßen beeinträchtigt.
Um Maßnahmen dagegen zu setzen und den Lebensraum entlang von Forststraßen optimal zu gestalten haben die Bundesforste eine neue Broschüre „Aktiv für biologische Vielfalt an Forststraßen“ veröffentlicht. Sie enthält Informationen zu Artenvielfalt und gibt Praxistipps zum achtsamen Umgang mit der Natur entlang der Forststraßen.

Eine Erschließung mit Forststraßen ist für eine kleinflächige rentable Waldbewirtschaftung unabdingbar notwendig. Biodiversitätsuntersuchungen, die erstmals an Forststraßen durchgeführt wurden, liefern überraschende Ergebnisse.

Service: Die Broschüre kann unter www.bundesforste.at/publikationen kostenlos heruntergeladen oder bestellt werden.

Link zur Kleinen Waldzeitung Ausgabe 1/2020, in der Sie einen Beitrag zum Thema finden.